Im Urteilsfall hatte sich eine ehemalige Arbeitnehmerin mit ihrem Arbeitgeber über insgesamt 101 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage gestritten. Nach ihrem Ausscheiden klagte sie auf Zahlung von über 20.000 € für nichtgenommenen Urlaub. Der Arbeitgeber berief sich auf Verjährung, da die Urlaubsansprüche länger als drei Jahre zurücklägen. Das Bundesarbeitsgericht legte das Verfahren dem EuGH mit der Frage vor, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, wenn der gesetzliche Mindesturlaub von vier Wochen nach drei Jahren verjähre.

Sich nur auf die Verjährung zu berufen, reicht laut EuGH nicht aus, da der Mindesturlaubsanspruch zu den europäischen Grundrechten gehört. Der Arbeitgeber habe zwar ein berechtigtes Interesse daran, nicht mit Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen konfrontiert zu werden, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt würden. Der Arbeitnehmer müsse aber zunächst in die Lage versetzt werden, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen. Daraus folge, dass der Anspruch auf Jahresurlaub nur unter der Voraussetzung verlorengehen könne, dass der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, diesen Anspruch rechtzeitig auszuüben. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweise, dass er seinen Urlaub zu nehmen habe.

Tipp: Für die positive Kenntnis des Arbeitnehmers von der Rechtslage zum Urlaubsverfall und der Verjährung des nicht in Anspruch genommenen Urlaubs müssen Sie unmissverständlich auf den drohenden Verfall von Urlaub hinweisen. Erteilen Sie diesen Hinweis schriftlich und nehmen ihn zur Personalakte.

Fundstellen: EuGH, Urt. v. 22.09.2022 – C-120/21; https://curia.europa.eu