2. Situation bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern
Was bedeutet dies für langzeiterkrankte Arbeitnehmer?
Über das Verhältnis von Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers einerseits und dem Verfall des Anspruches nach 15 Monaten bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andererseits wurde noch nicht abschließend durch den EuGH entschieden. Solange hierzu noch keine Entscheidung ergangen ist, bleibt es dabei, dass nach europäischer Rechtsprechung die Verjährungsfristen für den nicht genommenen Urlaubsanspruch zumindest dann erst mit Vornahme des Hinweises durch den Arbeitgeber auf die Verfallbarkeit zu laufen beginnen, wenn der Arbeitnehmer im Jahr des Entstehens des Urlaubsanspruches noch nicht durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war, d.h. noch Arbeitsleistungen erbracht hat.[1]
Im Falle der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit nimmt das BAG weiterhin an, dass nicht der unterbliebene Hinweis des Arbeitgebers, sondern die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dafür ursächlich ist, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht realisieren konnte.[2]
Bsp. 1: Arbeitnehmer A ist seit langem für seinen Arbeitgeber tätig und ist seit 01.01.2021 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Ein Hinweis seitens des Arbeitgebers, dass A noch Urlaubsansprüche offen habe und diese spätestens am 31.03. des Folgejahres verfallen, ist nicht erfolgt.
A‘s Ansprüche auf noch nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2021 verfallen infolge der 15-Monatsrechtsprechung mit Ablauf des 31.03.2023, auf den Hinweis des Arbeitgebers kommt es nicht an.
Bsp. 2: Arbeitnehmer B ist seit langem für seinen Arbeitgeber tätig und seit 01.02.2021 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt, im Januar 2021 hat er noch gearbeitet. Ein Hinweis seitens des Arbeitgebers, dass A noch Urlaubsansprüche offen habe und diese spätestens am 31.03. des Folgejahres verfallen, ist nicht erfolgt.
B‘s Ansprüche auf noch nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2021 verfallen nicht infolge der 15-Monatsrechtsprechung zum 31.03.2023, da er im Jahr 2021 noch einen Monat gearbeitet hat und somit nicht dauerhaft arbeitsunfähig war. Der unterbliebene Hinweis des Arbeitgebers auf die Verfallbarkeit wirkt sich nach der Rechtsprechung des EuGH dergestalt aus, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2021 in diesem Fall nicht verfällt und die Verjährungsfrist für den Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2021 für B erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem der Arbeitgeber B auf die Verfallbarkeit hinweist. Würde der Arbeitgeber B nun im Jahr 2023 auf die Verfallbarkeit hinweisen, hätte B noch bis Ende 2026 Zeit, diesen Urlaubsanspruch entweder nach Gesundung in Anspruch zu nehmen oder aber sich diesen bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Wege der Urlaubsabgeltung auszahlen zu lassen.
Unser WSS-Tipp: Weisen Sie Ihre Arbeitnehmer rechtzeitig und dokumentierbar auf bestehende Urlaubsansprüche hin und erläutern Sie, dass nicht genommener Urlaub spätestens nach Ende des Übertragungszeitraumes verfallen kann!
Urlaubsregelungen sind vor allem durch europäische Rechtsprechung einem stetigen Wandel unterworfen, der im Arbeitsvertrag abgebildet werden sollte, um als Arbeitgeber nicht unnötige Nachteile in Kauf zu nehmen. Kommen Sie auf uns zu, wir beraten Sie gerne!
[1] EuGH Urteil vom 22.09.2022 – Az.: C-518/20, C-727/20.
[2] BAG Urteil vom. 07.09.2021 – Az.: 9 AZR 3/21.