1. Risiko der Unverfallbarkeit von Alturlaub – wenn Hinweis durch den Arbeitgeber fehlt
Was ist passiert?
Eine Angestellte war von 1996 bis 2017 für ihren Arbeitgeber tätig und sammelte in dieser Zeit 101 nicht genommene Urlaubtage an. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte sie diese 101 nicht genommenen Urlaubstage als Urlaubsabgeltung geltend. Der Arbeitgeber argumentierte hierauf, dass der Urlaub verfallen sei, weil nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. Übertragungszeitraumes (31.3. des jeweiligen Folgejahres) genommen worden sei.
Das BAG hatte bereits 2019 unter Umsetzung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) entschieden, dass der Urlaubsanspruch nur dann verfalle, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer diesen aus freien Stücken nicht genommen hat. Hierzu muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in dokumentierbarer Weise auffordern, seinen noch vorhandenen Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraumes zu nehmen und dabei auf die Konsequenz des Verfalls hinweisen.
Bzgl. der Verjährung wurde seitdem jedoch weiterhin an das Entstehungsjahr des Urlaubsanspruches angeknüpft, auf den Zeitpunkt der Belehrung durch den Arbeitgeber kam es nicht an.
In seiner neuen Entscheidung setzt das BAG wiederum eine neuere Entscheidung des EuGH um und stellt klar, dass bei unterbliebener Belehrung des Arbeitnehmers auch die Verjährungsfristen erst ab dem Ende des Kalenderjahres zu laufen beginnen, in dem der Arbeitgeber seinen Belehrungspflichten nachgekommen ist.
Da faktisch jeder Arbeitnehmer nach erfolgter Belehrung seinen Urlaub innerhalb von drei Jahren geltend machen wird, führt dies bis zur Belehrung zu einer faktischen Unverfallbarkeit der alten Urlaubsansprüche.
Quelle: BAG, Urteil vom 20.12.2022 – Az.: 9 AZR 266/20.